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Mi‘ Moodersprook

Mi‘ Moodersprook

Meine Muttersprache


Aus Mülheim an der Ruhr stammt das Gedicht über Mölmsch Platt als Muttersprache.

Dieses Gedicht wurde von dem bedeutendsten Dichter in Mölmsch Platt, Gerhard August Hardering verfasst. Sein erster Vorname, Gerhard, lautet auf Mölmsch „Chird“, ein Name, unter dem er seine mundartlichen Werke veröffentlichte. Das bekannteste Werk von Chird Hardering, der 1892 geboren wurde, ist der Gedichtband „Innich, Ssinnich, Finnich“ von 1954, aus dem auch das folgende Gedicht stammt. Im Jahre 1967 starb der Autor in seiner Heimatstadt Mülheim an der Ruhr.

Damit Sie diese Geschichte bestmöglich verstehen können, finden Sie rechts neben dem Text in Mundart die hochdeutsche Übertragung.

Dieses Gedicht können Sie sich auch im Originalton von Chird Hardering anhören. Diese Aufnahme wurde im Jahr 2017 auf Tonbändern aus seinem Nachlass entdeckt und von Herrn Franz Firla zur Verfügung gestellt. Für die freundliche Unterstützung des Projekts möchte ich mich herzlich bedanken!

Mi‘ Moodersprook

Et iäste Woat, wat ick jee huar,
Et iäste Leed, dat me-i gessunge,
Et iäste, wat duar minem Uahr
Deep i’ min Hatten üss chedrunge,
Ssich doo füar ümmer faas chessatt,
Dat wuar va‘ Mooder op Mölmsch Platt.
Das erste Wort, das ich je hörte,
Das erste Lied, das mir gesungen,
Das Erste, was durch mein Ohr
Tief in mein Herz ist gedrungen,
Sich dort für immer fest gesetzt,
Das war von Mutter auf Mülheimer Platt.
Wenn Mooder me-i, op üahren Arm,
Et omes i‘ mim Bettschem braach,
En Kööske chuaf, dann we-ik un warm
Me-i in die bounte Küsses laach,
Heet sse-i ssich be-i me-i nier gessatt
Un ssung en Lidsche — op Mölmsch Platt.
Wenn Mutter mich, auf ihrem Arm,
Des Abends in mein Bettchen brachte,
Ein Küsschen gab, dann weich und warm,
mich in die bunten Kissen legte,
Hat sie sich zu mir hingesetzt
Und sang ein Liedchen – auf Mülheimer Platt
Wie köün et ssien, dat ick die Wöät,
Die me-i ssu’ ssööt im Uahr geklunge,
In derr mi’ Mooder, wuar ick mööd,
Me-i oomes in’e Schloop chessunge,
In derr sse-i ouk mit me-i gebett,
Dat ick die jeemools ees vercheet.
Wie könnte es sein, dass ich die Wörter,
Die mir so süß im Ohr geklungen,
In der meine Mutter, war ich müde,
mich abends in den Schlaf gesungen,
In der sie auch mit mir geschimpft hat,
Dass ich sie je einmal vergäße.
Drümm will ick et ouk faas bekoune,
Ick ssägg et ümmer wirr op nöü:
Mit mi’ Mölmsch Platt ssin ick verboune,
Mi’ Moodersprook, bliew ick stets tröü.
Ick haul in Iähr min Vaaderstadt,
Un leew un sterf füar min Mölmsch Platt.
Drum will ich es auch fest bekunden,
Ich sage es immer wieder auf’s Neu:
Mit meinem Platt bin ich verbunden,
Meiner Muttersprache bleib ich immer treu.
Ich halte in Ehren meine Vaterstadt,
Und leb‘ und sterb‘ für mein Mülheimer Platt.

aus: „Innich – Ssinnich – Finnich, Chedichte op Mölmsch Platt“ von Chird Hardering, erschienen 1954 im Selbstverlage des Autors zu Mülheim an der Ruhr, Seite 11

Originaltext in Mülheimer Mundart, übertragen ins Hochdeutsche von Marc Real


Dieses Gedicht ist im Laufe der 1940er und 1950er Jahre entstanden. Franz Firla, der den Nachlass des Dichters derzeit aufarbeitet, notiert zu seiner Entstehung:

„Moodersprook – Modersprok“ – Frühform und Endfassung im Vergleich

„Vom Karton-Nachlass unabhängig förderte ein weiterer Zufallsfund eine frühe Fassung des „Mi‘ Moodersprook“- Gedichts zu Tage. Sie wird teilweise zitiert in einem Aufsatz in der Zeitschrift „Muttersprache“, Band 68, und stammt aus einem „Heimatkalender für Niederrhein und Ruhr“ von 1943. Hardering war zu dem Zeitpunkt 51 Jahre alt. Auffallend beim Vergleich der ersten zwölf Zeilen ist zunächst die Schreibweise ß statt ss im Anlaut, die sich bis in die 40er hinein auch bei anderen im Umkreis der „Mausefalle“ beobachten lässt (Mescher, Wilhelm Klewer junior). Nur für die Großschreibung verwendete man Ss, da es das große ß, also ẞ, noch nicht gab. Wesentlicher ist aber der Klang dieses Textes, der z. B. für die sonst in diesem innerstädtischen Kreis üblichen u-Laute durchgängig o-Laute verwendet. Ist das von Speldorf aus komponiert?

Banal klingt die Aussage, er habe die ersten Wörter in seiner Muttersprache gesprochen! Allein dies war sicher schon Anlass genug, die Gestaltung noch mal zu überdenken. Er setzt dann auch beim Hören an und nicht erst beim Sprechen.

Zwar wählt er in der Frühform schon den Kreuzreim, aber nicht mit abschließendem Paarreim, wie überhaupt eine Strophenform ganz fehlt. Der spätere Hardering verwendet vier anspruchsvolle Sextette, immer mit abschließendem Paarreim, was seine Hochachtung vor dem Mölmsch Platt wie ein Doppelstrich untermauert.“

Endfassung (1954)

Et iäste Woat, wat ick jee huar,
Et iäste Leed, dat me-i gessunge,
Et iäste, wat duar minem Uahr
Deep i’ min Hatten üss chedrunge,
Ssich doo füar ümmer faas chessatt,
Dat wuar va‘ Mooder op Mölmsch Platt.
Wenn Mooder me-i, op üahren Arm,
Et omes i‘ mim Bettschem braach,
En Kööske chuaf, dann we-ik un warm
Me-i in die bounte Küsses laach,
Heet sse-i ssich be-i me-i nier gessatt
Un ssung en Lidsche — op Mölmsch Platt. …

Frühform (1943)

Die easte Wöt, die ek koun kalle,
die me-i min Moder het geleaht,
ßind in min Modersprok gefalle,
drömm wett ße-i van me-i hoach geeaht.
Denn easte Satz in minnem Leewe,
denn ek me-i ßelwes opgebaut,
wot me-i van Moder ingecheewe,
Un he klung ut in Moderlaut.
Min Modersprok, die ös Möllmsch Platt.
Klink et ouk döckes butt un hatt,
Wenn ek watt hattliches ßägge wöül,
Ek wös ne, wie’k aunes kalle ßöül. …

Dieser Textabschnitt wurde freundlicherweise von Herrn Franz Firla aus Mülheim an der Ruhr zur Verfügung gestellt.

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