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Langenbögeler Blötschekermes

Langenbögeler Blötschekermes

Langenbügeler Holzschuhkirmes


Aus Kettwig stammt diese Geschichte von der Kirmes, die sich nach der Jahrhundertwende um 1900 zugetragen hat. Noch heute wird die Tradition dieses Volksfestes in der Ortschaft Isenbügel als „Blotschenball“ gepflegt.

In der Übersetzung ist aufgrund der historischen Entwicklung nicht länger von Langenbügel die Rede, sondern von Isenbügel. Die heutige Ortschaft Isenbügel zeichnet sich vor allem durch Wohnbebauung aus den 1950er und 1960er Jahren aus. Zuvor befanden sich dort die Höfe „auf dem Langenbügel“, einem ausgedehnten Höhenzug vor dem Ruhrtal. Ein Stück weiter in Richtung Velbert befanden sich die Höfe „auf dem Isenbügel“, der namensgebend für den heutigen Ort war.

Die folgende Geschichte ist im Oktober 1944 in der Kettwiger Soldatenzeitung „Nau“ erschienen. Mit dem Untertitel „Gruß Kettwigs an seine Soldaten“ wurde sie von der NS-Kreisleitung Niederberg herausgegeben. Durch Alltagsgeschichten aus Kettwig sollte sie den Durchhaltewillen der Soldaten in einem aussichtsloser werdenden Vernichtungskrieg aufrechterhalten, indem sie die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr nährte. Es sind zwischen April 1943 und Weihnachten 1944 insgesamt acht Ausgaben erschienen.

Dieser Artikel wurde von Heinz-Herbert Münker, Schatzmeister des Kettwiger Museums- und Geschichtsfreunde e. V. digitalisiert und ins Hochdeutsche übertragen. Ich bedanke mich herzlich für die freundliche Zusammenarbeit und dafür, dass der Text an dieser Stelle erscheinen kann.

Damit Sie diese Geschichte bestmöglich verstehen können, finden Sie rechts neben dem Text in Mundart die hochdeutsche Übertragung.

Langenbögeler Blötschekermes

Em Herws, wenn de Prumen riep sind, dann eß em Langenbögel Kermes on en jedem Hus gewt et dann Prumetaten. Sonndags trecken dann Mann, Frau on Blagen den Berg herop nom „Steinen Hus“ oder no Karrenberg, wo em Zelt dann auk en Walzer oder en Rheinländer gedreiht wäd.Im Herbst, wenn die Pflaumen reif sind, dann ist auf dem Isenbügel Kirmes und in jedem Haus gibt es dann Pflaumenkuchen. Sonntags gehen dann Mann, Frau und Kinder den Berg hinauf zum „Steinhaus“ oder nach Karrenberg, wo im Zelt dann auch ein Walzer oder ein Rheinländer getanzt wird.
Awer we de Langenbögeler Kermes rechtig kennen liaren waul, de moß et Mondagsmorgens den Berg herop klömmen. Blötschenball, Jong, dat Woat lockten dat Volk ahn. Van Noh on Wiet koamen se ahn, öm dat Schauspel te sehn, wat die „Eingeborenen“ dann obführden. Kials on Wiewer op Blötschen.Aber wer die Isenbügeler Kirmes richtig kennen lernen wollte, der musste am Montagmorgen den Berg hinaufklimmen. Holzschuhball, Junge, das Wort lockte das Volk an. Von nah und fern kamen sie her, um das Schauspiel zu sehen, was die „Eingeborenen“ dann aufführten. Kerle und Weiber auf Holzschuhen.
„He“ em blauen Keel on roaden Halsdok, „Sie“ em gedröckten Kleid, bongte Schörz on met en witt oder bongt Koppdok. On dann woad gedanzt, „Schottisch“ on „Siebespröng,“ „Gallopp,“ „Esmeralda“ on „Quadrillich.“ Aule on jonge Pärkes höppten dörch dat Zelt, Ströah en de Blötschen, met flegende Röck on heite Köpp. Jong, Jong, wat woar dat en Freud und Lewen. En der Regel woaren auk noch Preise utgesatt föar dat Paar, wat die aule Dänz am besten gedanzt hat.„Er“ im blauen Kittel und roten Halstuch, „Sie“ im bedruckten Kleid, bunter Schürze und mit weißem oder buntem Kopftuch. Und dann wurde getanzt, „Schottisch“ und „Siebensprung“, „Gallopp“, „Esmeralda“ und „Quadrille“. Alte und junge Paare sprangen durch das Zelt, Stroh in den Holzschuhen, mit fliegenden Röcken und heißen Köpfen. Junge, Junge, war das eine Freude und Leben. In der Regel waren auch noch Preise ausgesetzt für das Paar, das die alten Tänze am besten getanzt hat.
Danzen goaw Doasch. Wien, Bier on Korentenschnaps woad häupewies vertilgt on töschendörch döchtig Prumetaten gefuttert.Tanzen gibt Durst. Wein, Bier und Korin­thenschnaps wurde haufenweise vertilgt und zwischendurch tüchtig Pflaumen­kuchen gefuttert.
De Alfred, sonne Kettwigsche Jong, hat sich met en Langenbögeler Weit, dat bie öm am arbeien woar, afgekallt. He waul am frühen Omend heropkommen on dat Ida afholen, on dann waulen die Twia em Zelt auk eß feste danzen.Alfred, ein Kettwiger Junge, hat sich mit einem Isenbügeler Mädchen, das bei ihm arbeitete, verabredet. Er wollte am frühen Abend heraufkommen um Ida abzuholen, und dann wollten die Zwei im Zelt auch feste tanzen.
Om Wäg nom Langenbögel troff he met dem Kal tesamen, en Schoalkamerod, de auk nom „Steinen Hus“ waul. Ein Woat goaw dat angere on soa woat de Kal gewahr, dat de Alfred iasch dat Ida afholen waul. „Sall eck metgohn?“ fragten Kali. „Dat Ida het doch noch en Söster,“ meinden he dann noch. „Minertwegen gonn doch met“ sag de Alfred. Soa koamen die twia Jonges en de Nöh vom „Bergerbosch“, wo dat Ida met sin Söster all vöar de Döar stong, als die Jonges do ankoamen. Alfred mackten die Weiter met dem Kal bekank, worop dat Ida die Twia enladden, herentekommen, sie wäulen sich ewkes prat maken.Auf dem Weg nach Isenbügel traf er Karl, einen Schulkameraden, der auch zum „Steinhaus“ wollte. Ein Wort gab das andere und so erfuhr Karl, dass Alfred erst Ida abholen wollte. „Soll ich mitkommen?“ fragte Karl. „Die Ida hat doch eine Schwester,“ meinte er dann noch. „Meinetwegen geh mit“ sagte Alfred, So kamen die zwei Jungen in die Nähe vom „Bergerbusch“, wo Ida mit ihrer Schwester vor der Tür stand, als die Jungen dort ankamen. Alfred machte die Mädchen mit Karl bekannt, worauf Ida die zwei einlud, hereinzukommen, sie wollten sich ein wenig zurechtmachen.
Om Desch stong en groate Plat met Prumetat, fiadig en Stöcker geschneen. „Hie, probierend eß,“ domet goaw dat Ida jedem en Stöck Prumetat. „Lecker, dat schmackt no mea,“ tuschelden de Kal dem Alfred tu.Auf dem Tisch stand eine große Platte mit Pflaumenkuchen, fertig in Stücke geschnitten. „Hier, probier mal,“ damit gab Ida jedem ein Stück Pflaumen­kuchen. „Lecker, das schmeckt nach mehr,“ tuschelte Karl dem Alfred zu.
Als die Weiter sich stats gemackt hadden, sag dat Ida: „Soa, nu lotten wie gohn, de Schlötel hang eck hangen am Hippestall. Wenn Vader on Moder früher no Hus wellen als wie, dann können se wenigstens heren.“ Dann trocken die Vier nom „Steinen Hus“. Vader on Moder woaren auk do.Als die Mädchen sich hübschgemacht hatten, sagte Ida: „So, nun lasst uns gehen, den Schlüssel hab am Ziegenstall angehängt. Wenn Vater und Mutter früher nach Hause wollen als sie, dann können sie wenigsten rein.“ Dann zogen die vier zum „Steinhaus“. Vater und Mutter waren auch da.
Em Zelt woar en dollen Betrieb, kein Plätzken mear frei. Do sag de Kal: „Lotten wie doch lewer no Karrenberg gohn, do eß et ne soa voll. Eck gonn ewkes no min Tante Jetta, well öahr bloß ewen godden Dag seggen.“ — „Jo, wie kommen auk gliek“ sag de Alfred. „Wie wellen eß easch en Rheinländer dreihen.“Im Zelt war viel Betrieb, kein Platz mehr frei. Da sagte Karl: „Lasst uns doch lieber nach Karrenberg gehen, da ist es nicht so voll. Ich gehe eben noch zu meiner Tante Jette, will ihr bloß eben guten Tag sagen“ – „Ja, wir kommen auch gleich“ sagt Alfred. „Wir wollen zuerst einen Rheinländer drehen.“
Hengerher danzten he dann noch met Julchen, Idas Söster, on dann moß he auk met Idas Moder noch einen danzen. Dann geng Alfred met die twia Weiter no Karrenberg. Auk hie brommden de Baß on die Klarinetten quietschten met dem jongen Volk öm de Wett.Hinterher tanzte er dann noch mit Julchen, Idas Schwester, und dann muss er auch mit Idas Mutter noch tanzen. Dann ging Alfred mit den zwei Mädchen zu Karrenberg. Auch hier brummte der Bass und die Klarinetten quietschten mit dem jungen Volk um die Wette.
Sie fongen auk en netten Platz bie de Musik; twiamol hadden se all gedanzt, do koam de Kal met en groate Pappschachtel voll Prumetaten. „Van Tante Jetta,“ sag he on goaw sich an et verdeilen. „Eck mott mie doch revangieren,“ sag he föar dat Ida on däuden dem Julchen auk en Stöck en de Hank. Dann spendierden he noch en Runde Korentenschnaps.Sie fanden auch einen netten Platz an der Musik, zweimal hatten sie schon getanzt, da kam Karl mit einer großen Pappschachtel voll Pflaumenkuchen. „Von Tante Jette,“ sagte er und begann den Kuchen zu verteilen. „Ich muß mich doch revanchieren,“ sagte er zu Ida und gab Julchen auch ein Stück in die Hand. Dann spendierte er noch eine Runde Korinthenschnaps.
Grad spelden de Musik en flotten Rheinländer on nu woad gedanzt, keinen woad öwerschlagen on töschendörch woad Prumetaten gefuttert, dobie woar et langsam lat gewoaden, et geng op elf Uhr ahn — jetz set man jo dreiontwentig Uhr — do feng de Kal an te drängen: „Alfred, geiße met no Hus? Eck mott morgen früh wärr em fief Uhr ut dem Bett.“ — Gerade spielte die Musik einen flotten Rheinländer und nun wurde getanzt, keiner wurde übergangen und zwischen­durch wurde Pflaumenkuchen gefuttert, dabei war es langsam spät geworden, es ging auf elf Uhr zu – jetzt sagt man ja dreiundzwanzig Uhr – da fing Karl an zu drängen: „Alfred, gehst du mit nach Hause? Ich muß morgen früh wieder um fünf Uhr aus dem Bett.“ –
„Noch einen Schottisch,“ bedelden dat Julchen. — ,,No, jo, dann gont wie awer.“ — Do sag dat Ida: „Gönnt können bie us awer ewen noch en Köppken Koffen drenken.“ — „Ne, ne!“ wehrden de Kal äff, „dann haulen wie us te lang op, wie wellen maken, datt wie den Berg heraw kommen.“ Soa woat et auk gemackt.„Noch einen schottischen Tanz,“ bettelte das Julchen. – „Na gut, dann gehen wir aber.“ – Da sagt Ida: „Ihr könnt bei uns aber eben noch ein Kännchen Kaffee drinken.“ – „Nein, nein!“ wehrte Karl ab, „dann halten wir uns zu lange auf, wir wollen machen, dass wir den Berg herunter kommen.“ So wurde es auch gemacht.
Wie die twea Weiter en de Stow koamen, do soagen se, woröm de Kal soa ilig no Hus waul. De Filu hat de Prumetaten ne bie sin Tante Jetta, sondern hie gehollt. De Schlötel heng jo am Hippesfall.Wie die zwei Mädchen in die Stube kamen, da sahen sie, warum Karl so eilig nach Hause wollte. Der Scherzkeks hat den Pflaumenkuchen nicht bei seiner Tante Jetta, sondern hier geholt. Der Schlüssel hing ja am Ziegenstall.
De halwe Plat woar leg, doföar loag en Fiefmarkstöck on en Zettel, van Kal geschrewen, met dem Sproch: „Geteilte Freude ist doppelte Freude.“Die halbe Platte war leer, dafür lag ein Fünfmarkstück und ein Zettel, von Karl geschrieben, mit dem Spruch: „Geteilte Freude ist doppelte Freude.“
Vader on Moder kaunen Spaß verdragen on en halw Johr no de Kermes soat Kal wärr do bowen hengerm Desch on fierden Verlobung met Julchen. Do hant se allemolen noch eß herzhaft öwer Kal sinnen Streich gelacht.Vater und Mutter konnten Spaß vertragen und ein halbes Jahr nach der Kirmes saß Karl wieder da oben hinterm Tisch und feiert Verlobung mit Julchen. Da haben sie alle zusammen noch herzhaft über Karls Streich gelacht.
Et grüßt Önk allemolenEs grüßt Euch allesamt
Fritz vam SträumkenFritz vom Strömchen

aus: „Nau! Gruß Kettwigs an seine Soldaten“, Ausgabe 7 vom Oktober 1944, herausgegeben von der Kreisleitung Niederberg der NSDAP, erschienen im Verlag von Friedrich Flothmann zu Kettwig

Originaltext in Kettwiger Mundart, übertragen ins Hochdeutsche von Heinz-Herbert Münker, überarbeitet von Marc Real

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