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Erzählung in einer Bauernstube

Erzählung in einer Bauernstube

Aus Neviges stammt diese Erzählung. Der Pferdeknecht Kaubes (Jakob) berichtet der Bauernfamilie am Tisch von einem entsetzlichen Unglück. Es entwickelt sich ein Streitgespräch zwischen Vater und Sohn, ein Generationskonflikt zwischen religiöser Tradition und aufgeklärtem Rationalismus.

Im Jahre 1854 wurde diese Erzählung vom Kölner Sprachforscher Johann Matthias Firmenich-Richartz als Beispiel für die in Neviges gesprochene Mundart in die umfangreiche Sammlung deutscher Dialekte „Germaniens Völkerstimmen“ aufgenommen.

Damit Sie diese Erzählung bestmöglich verstehen können, finden Sie rechts neben dem Text in Mundart die hochdeutsche Übertragung.

Erzählung in einer Bauernstube

(Die Familie sitzt auf dreibeinigen holzernen Stühlen um den Tisch und hat eben begonnen mit dem Abendessen, indem tritt Kaubes, der Fuhrknecht, herein.)
Kaubes: „Go Nowend alltehaup! G’se Godd et Näimet!“Jakob: „Guten Abend zusammen! Segne Gott das Abendessen!“
Mettelschen, die Tochter: „Du Säitsüät! sag, es dat auch räit, so lang te bliewen? on en sonnem Weder iäscht en der Näit te kladdern kuemen; wor et doch ä Weder dösen Nommendag, förwohr! Me säul jo keinen guaden Hongd herut gejagd han, alle Küeh em Hof die tütten va klorer Angst on liepen no der Stalldüehr, der Neubes bolkten wüdig tegen ‚t Weder. Ech on mie Mueder soten en der Kaamer on bädden ut em Zollekoffer, vör et Glas do hadden wier us Röck gehangen, ut dem Hiäb ä Leit gehold, on doch sog men den Bletz noch i den Schlag, on selwer tösch’nem Bäden mues mä: Godd waules! sagen, so krak –“Mechthild, die Tochter: „Du Süßholzraspler, sag, ist das auch recht, so lange zu bleiben? und in so einem Wetter erst in der Nacht zu Schmutz zu kommen; war es doch ein Wetter diesen Nachmittag, fürwahr! Man sollte ja keinen guten Hund herausgejagt haben, alle Kühe im Hof, die schreien vor lauter Angst und liefen zur Stalltür, das Kalb brüllte stürmisch gegen das Wetter. Ich und meine Mutter saßen in der Kammer und beteten aus dem Zollikofer [Anm. „Anreden und Gebete zum Gebrauche bey dem gemeinschaftlichen, und auch dem häuslichen Gottesdienste“, evangelisch-reformiertes Gebetsbuch von Georg Joachim Zollikofer], vor das Glas, da hatten wir unsere Kleider gehangen, aus dem Räucherofen ein Licht geholt, und doch sah man den Blitz noch ehe dem Schlag, und selbst zwischen musste man: Bei Gott! sagen, so krach-“
Niäsken, die Mutter (einfallend): „Nu Mettelschen, hüär op, et Eten wäd sös iskault all, mä ka jo glieck davan noch kallen; Kaubes, komm on sett dech bi! ‚Ne guaden drügen Röttscher, brav met speck on Brotwüäscht, on en lecker Hottenmelk, dat makt dech bennen warm on butten sas Du da wall säiten drügen; sett dech hei on kiär den naten Puckel niäst den Oven, et wor so schuddrig, dröm stock ech en an.“Agnes, die Mutter (einfallend): „Nun Mechthild, hör auf, das Essen wird sonst völlig eiskallt, man kann ja gleich davon noch sprechen; Jakob, komm und setz dich dazu! Einen guten trockenen Kartoffelpuffer, ordentlich mit Speck und Bratwürsten, und eine leckere Ziegenmilch, das macht dich innen warm und außen sollst Du dann auch langsam trocknen; setz dich hierher und kehre den nassen Rücken zum Ofen, es war so bitter kalt draußen, also stoche ich ihn an.“
Kaubes: „Ech sag öch grammerzis! ech kann nit eten, ä Köppken warmen Koffen oder Tiä – dat sid so guad on sett mer liefer an!“Jakob: „Ich sage euch großen Dank [von frz. grand merci]! Ich kann nichts essen, ein Tässchen warmer Kaffee oder Tee – das, seid so gut, und setzt mir lieber an!“
Niäsken: „Godd waules, Kaubes! sös versäis du keinen Tög on haats jo soe Geschläps, dat klenkt van der mer räit korjüäsch; du bös doch fresch on flöck?“Agnes: „Um Gottes willen, Jakob! Sonst versagst du keinen Zug und hattest doch so ein Geschleppe, das klingt von dir doch sehr merkwürdig; du bist doch froh und munter?“
Mettelschen: „Du maks mech bang! du kries doch nit et Friesen? Du bös so witt on ganz verpleckst.“Mechthild: „Du machst mir Angst! Du bekommst doch keine Erkältung? Du bist so weiß und ganz perplex.“
Piäter, der alte Bauer: „Wat es dier, Kaubes ? spriek! dier on dem Puddel es doch kein Onheil op der Strot begegent?“Peter, der alte Bauer: „Wie ist dir, Jakob? Sprich! Dir und Puddel [Anm. Name eines Pferdes] ist doch kein Unheil auf der Straße begegnet?“
Kaubes: „Godd Dank nit, Bur! doch weit ech, dat gött secher met Nas on Mul anhüären, wat ech önk van einem grusen Oglöck kann vertellen.“Jakob: „Gott [sei] Dank nicht, Bauer! Doch weiß ich, dass ihr sicher mit Nase und Mund anhört, was ich euch von einem großen Unglück erzählen kann.“
Mettelschen: „Ech wor alt ganz makolsch, Di Stöcksken wäd mech da wall auch wat flöcker maken; ewer wagt noch en betschen, dat ech laupen kann, et Water op den Oven iä te setten.“Mechthild: „Ich war schon ganz schwermütig, Dein Stückchen wird mich da wohl auch etwas aufmuntern; aber warte noch ein bisschen, dass ich [noch] gehen kann, um erst das Wasser auf den Ofen zu setzen.“
Niäsken: „Herr Jömmig, Vaar! nu sag doch ens, waröm doch suä völl Oglöck en der Welt regiert? Mech dönkt, der liefe Godd mot för Plaisir doch nit suä manchen guaden Hals treblieren. Ech sin noch lang suä guad nit, on ech kann doch nit ut Kotzwill usser armen Katten, wann se am Häd sech rekt on bröt, ens fennig mem Blotschen tradden op de Stät, te jaumpen.“Agnes: „Herr Jesus, Vater! Nun sag doch mal, warum doch so viel Unglück auf der Welt regiert? Mir scheint, das liebe Gott braucht doch nicht vor Vergnügen so manchen guten Hals zu bedrängen. Ich bin noch lange nicht so anständig, und ich kann doch nicht aus Langeweile unserer armen Katze, wenn sie am Herd sich reckt und wärmt, auf einmal fies mit dem Holzschuh auf den Schwanz treten, damit sie qualvoll schreit.“
Piäter: „Vie, Niäsken! suä Velgliek vam liefen Herr! Doch hüär, ech weit, et kömmt der nit van Hatten, dat weit der liefe Godd suä guad äs ech, dröm wäd he’t der jüst auch nit üewel nehmen; Doch met dem Oglöck, Wief, förwohr! dat es ä schwor Kapettel för us kott Begriep. Mär sag mier Nömmes, dat de guade Vader em Hemmelriek, de us em Heu on Beu noch jöhrlichs miä göft, äs wier half verdienen, dat de Plaisir am Menschenplogen hett. Wier käunen jo de Muel nit open donn tom Odemschnappen, wann he’t us mesgönkte.“Peter: „Pfui, Agnes! So einen Vergleich mit dem gütigen Herrgott! Doch höre, ich weiß, es kommt dir nicht von Herzen, das weiß der liebe Gott so gut wie ich, darum wird er es dir eben auch nicht übel nehmen; Doch mit dem Unglück, Frau, fürwahr! Das ist ein schweres Kapitel für uns von einfachem Verstand. Aber sag mir niemand, dass der gütige Vater im Himmelreich, der uns an Gras- und Getreideernte noch jährlich mehr gibt, als wir halb verdienen, dass der Freude am Menschenplagen hat. Wir könnten ja das Maul nicht auf machen zum Atemholen, wenn er es und missgönnen würde.“
Jörgen, ein etwas aufgeklärter Sohn: „De Menschen trekken selwer sech et Oglöck dorch Dommheit tau; förwohr! wier Buren, wier send te ful te kott, öm klueke Büeker te Roth te trekken, gläuven liefer blengd an Hexen, Gespengster, Füergeschefter, Wipplöttsches, Wehrwölf on wat all för Krom, der Düwel an der Spets äs Generol, die sollen ‚t all gedonn han, wann ‚t us knipt. Do hett me Käls, die heiten Filosuafen, die schriewen Büeker allerhuoch geliärt, do steit et düttlich drenn, dat gar kein Düwel, kein Hex on Tauwrer es, on selwer Godd wör nit suä, wie et en der Bibel stöng. Dat send sös Büeker, Vaar! Herr Hasefuet em Dorp de hett se all –“Jürgen, ein etwas aufgeklärter Sohn: „Die Menschen ziehen sich selber das Unglück durch Dummheit zu; fürwahr! Wir Bauern, wir sind zu faul und zu schlicht, um kluge Bücher zu Rat zu ziehen, glauben lieber blind an Hexen, Gespenster, Feuergeschöpfe, Irrlichter, Werwölfe und was alles für Zeug, den Teufel an der Spitze als General, die sollen es alle getan haben, wenn uns etwas reizt. Da hat man Leute, die heißen Philosophen, die schreiben Bücher allerhoch gelehrt, da steht es deutlich drin, dass gar kein Teufel, kein Herr und Zauberer ist, und selbst Gott wäre nicht so, wie es in der Bibel stünde. Das sind bloß Bücher, Vater! Herr Hasenfuß im Dorf, der hat sie alle –“
Piäter: „Jong, hault die Mul! De Hasefuet, de ledderlige Lömmel, wat de hett, kann nit düegen. An den Fröchten sall men den Baum erkennen, säit der Mongd der Worheit; Büeker, die de Bibel verwerpen, hett der Düwel prakkesiert on hett se schläiten Kälsen engegewen. De griese Kopp drag ech, Goddlof, met Iären! Et hett mer nüe an Bau on Soot geschad, dat ech am Düwel glaut, wiel en der Bibel dervan geschriewen steit. On us Paschtuar de es auch huochgeliärt, de gläuft jo dran, dat weit ech secher, he es mi Kompier, on em Kon’storgom hielt he völl op mech. Wann ech nu suä gruaßmüedig si waul, dat ech miä wäul wieten, äs de klueke, fromme Mann, wie stöng dat? Niederdräitig, schläit on räit, dat past tom Burekiedel. Jörgen, hüär dä guade Roth van dinnem aule Vaar: Lot mier de Düwelsbüeker ut de Füsten! Sück flietig mär de Flegel on de Pluegstät domet te füeren, da sall’t dech nit schaden, wann du an Düwel on Gespengster gläufs; Bös brav! dann bruckst du auch nit bang dervüer te sin. – Nu, Kaubes, fang ens an!“Peter: „Jung, halt den Mund! Der Hasenfuß, der liederliche Lümmel, was der hat, kann nichts taugen. An den Früchten soll man den Baum erkennen, sagt der Mund der Wahrheit; Bücher, die die Bibel verwerfen, hat der Teufel ausgedacht und hat sie schlechten Menschen eingegeben. Den grauen Kopf trage ich, Gottlob, mit Ehren! Es hat mir nie an Ernte und Saat geschadet, dass ich an den Teufel glaubte, weil in der Bibel davon geschrieben steht. Und unser Pastor, der ist auch hochgelehrt, der glaubt ja daran, das weiß ich sicher, er ist mein Freund, und im Konsistorium [Anm. Presbyterium einer reformierten Gemeinde] hielt er viel auf mich. Wenn ich nun so großmütig sein wollte, dass ich mehr wissen wollte, als der kluge, fromme Mann, wie stünde es darum? Niederträchtig, schlecht und recht, das passt zum Bauernkittel. Jürgen, hör den guten Rat von deinem alten Vater: Lass mir die Teufelbücher aus den Fäusten! Such fleißig bloß den Dreschflegel und den Pflug damit zu führe, da soll es dir nicht schaden, wenn du an Teufel und Gespenster glaubst; Sei brav! Dann brauchst du auch nicht bange davor zu sein. – Nun, Jakob, fang mal an!“
Kaubes: „Äs ech min Hault em Dorp had afgeladen, do fuer ech ewen bi Wiäts-Drickes an; Ech ot en half Rei Weck, dronk ei Glas Fussel on gof dem Päd ä Schepken Heu on Haver; Entöschen fielen en’ge decke Dropen, doch kiek de Sonn noch früälich ut dem Sack; Et wor suä äs me wall ens pläit te sagen: Et es nu Kermes en der Höll, – kott drop, do hüät me suä va wiedem säit Gehummel, wall tien Menütten drop do wederlött’n et, on glieck drop kom der Schlag äs wie ’n Kanon! Wier sprongen leuten en der Hüöden all on glauten, dat der Auler, kott on klein am Hus terschlagen, op de Köpp us fiel. On äs wier ewen wieder Odem schnapten, do liepen wier herut on kieken no am Hus, no Nobershüsern on nom Kerktuan, on Alles liep ut allen Hüsern ut, doch nerges sog men, dat der Donnerkiel had egeschlagen; Allemalk wor frua, dat et so gniädig üewer wor gegangen, wiel glieck drop auch de Sonn alt wieder schien. Ech had de Schnak alt en der Hangd on säit: Jö, Puddel! Hott! – Do kom em Augenbleck Allärm heren: et Donnerweder hädd om stekse Fäilschen, ewen bow’nem Dorp, die aule Krüder-Griät, die en der Hukken op’r Bedelmannsömkiär wont, musduät geschlagen. Wat nu mär Bein had, liep dohen te kieken; Ech bong de Puddel an, on liep auch met. Der Weg dohen geit zemlich stief herop, de Laut wor drammig on der Appelpue, werom men he liep, wor jüst nit so lieflich, äs wa men op der Kermes för ä Fettmännschen ens bi de Kälgeit, de de Welt em Kasten om Pukkel dregt. Dat alltesamen makten de Pust alt kapetroz mer kott; et Wames wot mier so eng, ech schwetten äs ä Päd. Mär Jömmig au! äs ech nu foets dohen kom on sog, wie grusam doch dat arm Geschöpsel do log, ech menden auch, mier wör et Hatt ter Boscht herut gesprongen. Blonk on dick wor et alt üwerall; der Donnerkiel had op de Werweltop et iäscht gepackt, de Hoor die hengen wie gehekelt Werk er öm de Kopp heröm, am räiter Uar, do had der Donnerkiel ä Lok geschlagen; Dann wor he niäst dem räiten Arm on Sid heraf gelaupen, had et Tüg er all so kott on klein gerieten, dat de Fleddern wall feufontwentig Schried gestowen woren; Auch Hoorplöck on de schau van beidsde Füeten, die logen ganz terrieten on tersplieten em Haverstöck, on ei paar Härekäls, die alles wieten waulen, sauten sech de Lappen van de Schauen, explozierden – ech weit mit räit miä wie – der Donnerkiel hädd siewen Löker duer on duer geschlagen. Ech sog auch wat dervan, on duer de schoken on auch am Elenbogen had et Löker. Glieck bi de Füeten had der Donnerkiel sech diepe Löker en de Ad gebort; Et selvre Krüz va Griätens Hals log wall bi twentig Fuet van er, me’n Stüpken Bangd.“Jakob: „Als ich mein Holz im Dorf abgeladen hatte, da fuhr ich eben beim Wirt Heinrich vorbei; Ich aß eine halbe Reihe Milchbrötchen, trank ein Glas Schnaps und gab dem Pferd eine Schippe Heu und Hafer; Inzwischen fielen einige dicke Tropfen, doch sah die Sonne noch freundlich aus dem Sack; Es war so, wie man doch einst zu sagen pflegte: Es ist nun Kirmes in der Hölle, – kurz darauf, da hörte man so von weitem leises Donnern, etwa zehn Minuten darauf da wetterleuchtete es, on gleich darauf kam der Schlag, so wie eine Kanone! Wir sprangen hinten in der Hütte alle und glaubten, dass der Dachboden, kurz und klein am Haus zerschlagen, und auf die Köpfe falle. Und als wir gerade wieder Luft schnappten, da liefen wir heraus und schauten nach am Haus, an den Nachbarhäusern und zum Kirchtum, und alles lief aus allen Häusern raus, doch nirgends sah man, dass der Donnerblitz eingeschlagen hatte. Ein Jeder war froh, dass es so gnädig vorüber gegangen war, weil gleich darauf auch die Sonne schon wieder schien. Ich hatte die Peitsche schon in der Hand und sagte: Hüa, Puddel! Hott! – Da kam im Augenblick Alarm herein: das Donnerwetter hat auf dem steilen Feldchen, gerade über dem Dorf, die alte Kräuter-Grete, die in der Senke auf der Bettlerumkehr wohnt, mausetot geschlagen. Was nun noch Beine hatte, lief dahin, um nachzusehen; Ich band den Puddel an und lief auch mit. Der Weg dorthin geht ziemlich steil herauf, die Luft war schwül und der Anblick [Anm. von frz. Apropos], warm man hierher hief, war gerade nicht so lieblich, als wenn man auf der Kirmes mal für einen Groschen zu dem Kerl geht, der die Welt im Kasten auf dem Buckel trägt. Das alles zusammen machte den Atem schon deshalb nur kurz; das Hemd wurde mir so eng, ich schwitzte wie ein Pferd. Maria Jesus nein! Als ich nun endlich dorthin kam und sah, wie grausam doch das arme Geschöpf da lag, meinte ich auch, mir wäre das Herz zur Brust herausgesprungen. Bleich und dick war sie schon überall; der Donnerschlag hat sie am Haarschopf zuerst gepackt, die Haare, die hingen ihr wie gehäkelter Stoff um den Kopf herum, am rechten Ohr, da hat der Donnerschlag ein Loch geschlagen; Dann war er den rechten Arm und die Seite herab gelaufen [und] hat ihr das ganze Zeug [Anm. die Kleidung] so kurz und klein gerissen, dass die Fetzen bald 25 Schritt weit geflogen sind; Auch Haarbüschel und die Schuhe von beiden Füßen, die lagen ganz zerrissen und zersprengt im Haferfeld, und ein paar von den ganz feinen Herren, die alles genau wissen wollten, suchten sich die Lappen der Schuhe und untersuchten – ich weiß nicht mehr recht, wie – dass der Blitzeinschlag sieben Löcher durchgeschlagen hat. Ich sah auch etwas von ihr, und durch die Beine und auch am Ellenbogen hatte sie Löcher. Gleich neben den Füßen hatte sich der Blitz tiefe Löcher in die Erde gebohrt; Das silberne Kreuz von Gretens Hals lag fast zwanzig Fuß [Anm. altes Längenmaß] von ihr weg mit einem Stückchen Band.
Niäsken: „Nu Kaubes! hüär mer op, et krüpt so mier doch alt as Lüs on Flüä on iskault duer de Rögstrang; Dat arme Wief! Godd si der Siäle gniädig! Wor et auch ganz allein om Fäil gewest?“Agnes: „Ach Jakob! Hör mir auf, es läuft mir doch schon wie Läuse und Flöhe und eiskalt durch das Rückgrat; De arme Frau! Gott sei der Seele gnädig! War sie auch ganz allein auf dem Feld gewesen?“
Kaubes: „Nä, Wewers-Lis on auch si klenste Weit, die hadden enge Schried mär van em af gestangen. Lis frogde Griät: ‚Griät, sölle wier no Hus gonn, wiel dat Weder op kömmt?‘ ‚Nä‘, säit Griät, ‚ech scheu et nit, so lang et noch nit hätter kömmt.‘ So baul dat Wot em ut der Mulen es – do kömmt der Schlag! Lis steit en Füer on Flamm! de Dreck de stüft em om de Kopp! Griät liet do! Lis geit laupen, et Weit blievt stief do stonn on es van Sennen. Doch hengeno do hett der Feldscher em wat Saultepitter engegewen on dem Lis auch, on em Oder auch geloten, suä send se langsam wieder bi gekoemen. He kom auch glieck nom Fäil gelaupen, öm dat Griät wier leventig te maken; ewer he stok de Piep sös en de Sack, äs he et soeg.“Jakob: „Nein, Webers-Luise on auch ihr kleinstes Mädchen, die haben bloß einige Schritte von ihr weg gestanden. Luise fragte Grete: ‚Grete, sollen wir nach Hause gehen, weil schlechtes Wetter aufzieht?‘ ‚Nein‘, sagte Grete, ‚ich scheue es nicht, so lange es noch nicht stärker kommt.‘ Sobald das Wort ihr aus dem Mund ist – da kommt der Schlag! Luise steht in Feuer und Flamme! Der Dreck fliegt ihr um den Kopf! Grete liegt da! Luise geht laufen, das Mädchen bleibt steif dort stehen und ist von Sinnen. Doch hinterher, da hat ihr der Wundarzt etwas Salpeter eingegeben und der Luise auch, und sie auch zur Ader gelassen, so sind sie langsam wieder zu sich gekommen. Er kam auch gleich zum Feld gelaufen, um Grete wiederzubeleben, aber er steckte die Pfeife wieder in den Sack [Anm. sinnbildliches Aufgeben], als er sie sah.“
Jörgen: „Jo! wör et nit suä kott on klein geschlagen gewest, ech gläuf, et wör em auch geroden. Men hett jo Büeker, wo et ennen steit beschriewen, wie men’t maken sall, de Duaden, Versteckten, Opgehang’nen on Versopenen, vam Donnerweder Duadgeschlag’nen wieder en’t Lewen op te wecken.“Jürgen: „Ja! Wäre sie nicht so kurz und klein geschlagen gewesen, ich glaube, es wäre ihm auch gelungen. Man hat ja Bücher, wo es drin beschrieben steht, wie man es machen soll, die Toten, Verschütteten, Aufgehängten und Betrunkenen, vom Donnerwetter Totgeschlagenen wieder ins Leben aufzuwecken.“
Piäter: „Jong, nu schwig! Du bös geflappt on löps alt ganz me’m Häultschen. Din Büeker liegen, dat men’t hüären kann. Wat duad es, kann kei Mensch op Äden wecken.“Peter: „Junge, jetzt schweig! Du bist verrückt und läufst schon ganz mit dem Hölzchen [vor dem Kopf]. Deine Bücher lügen, das man es hören kann. Was tot ist, kann kein Mensch auf Erden wecken.“
Jörgen: „Nä, Vaar, et send kein Lüegen! Dag on Datem, et Ot, wo’t es geschied, kott, alles es derbi beschriewen; dat wör doch te fresch, wann dat gedröckte Lüegen alles wören. Vaar! wann I’ehr dat nit gläuft, da gläuft I’ehr auch nit, dat gronggeliärde Käls et hüddig Dags spets wieten, wat en Donnerweder es. Dat es ä Für, dat het Lektrizitiät. De Stoff tau dössen Für es üwerall, em kaule Water on sogar em Is.“Jürgen: „Nein, Vater, das sind keine Lügen! Tag und Datum, der Ort, wo es geschah, kurzum, alles ist dabei beschrieben; das wäre doch zu frech, wenn das alles gedruckte Lügen wären. Vater! Wenn Ihr das nicht glaubt, dann glaubt Ihr auch nicht, dass grundgelehrte Leute es heutzutage exakt wissen, was ein Gewitter ist. Das ist ein Feuer, das heißt Elektrizität. Der Grundstoff für dieses Feuer ist überall, im kalten Wasser und sogar im Eis.“
Piäter: „Nu es et g’naut! De Büeker maken dech noch stapeldoll, et Water löpt bei dier va selwer auch den Berg herop, – nit wohr?“Peter: „Jetzt ist es genug! Die Bücher machen dich noch übergeschnappt, das Wasser läuft bei dir auch von selber den Berg rauf, – nicht wahr?“
Jörgen: „Nu jukst alt, Vaar! I’ehr könnt doch wall begriepen, dat en dä schwatten Wederwolken-Säcken et Blecksfür on et Water ongerein mot sin, denn Beids jo kömmt et drut. Auch es et klor, dat die geliärde Käls et Donnerweder bister-nettsches kennen, sie können jo van Hüsern on van Kerktüän den Donnerkiel afledden en der Äden. En betschen han ech drüewer no gedäit, mä mües et auch van use Köppen können, wiel dat ä ganz eifäulig Spergement es. Et es en isre Krüz me’m langen Drot bös en de Äd, do löpt der Blecksstrohl langes, die Äd hett Kraft de Kiel an sech te trekken, dat süet me jo bi Griät, wie Kaubes säit. Ech well mer doch ter Fürsorg ens bim Schmied so’n Dengen maken loten, för de Kotzwill. Ä Krüz dat men sech op de Kopp ka setten, dann nehm ech einen Leder-Sack voll Dreck, woren ech van dem Krüz den Drot lot laupen. Mot ech dann ens em Weder sin, dann hang ech Alles öm, on kömmt dann auch der Schlag, da schleit der Kiel sech en der Aden duad; On wann he kault es, nehm ech’n ut dem Sack, da krieg ech auch ’nen Donnerkiel te sen. ‘T geit doch nit vüer, wa men en betsche miä äs Allemalk weit. Wör ech doch bei Griät en betschen iä gewest, se lewden noch.“Jürgen: „Jetzt scherzt Ihr aber, Vater! Ihr könnt doch sicher verstehen, dass in den schwarzen Wetterwolkensäcken das Blitzfeuer und das Wasser gemischt sein müssen, denn beides kommt ja daraus. Auch ist es klar, dass die Gelehrten das Donnerwetter ungeheuer genau kennen, sie können ja von den Häusern und von Kirchtürmen den Blitz in die Erde ableiten. Ein bisschen habe ich drüber nachgedacht, man müsste es auch von unseren Köpfen können, weil das ein ganz einfaches Experiment ist. Es ist ein eisernes Kreuz mit einem langen Draht ist in die Erde, da läuft der Blitzstrahl entlang, die Erde hat die Kraft, den Blitz an sich zu ziehen, das sieht man ja bei Grete, wie Jakob es sagt. Ich will mir doch zur Vorsorge mal beim Schmied so ein Ding machen lassen, für den Zeitvertreib. Ein Kreuz, das man sich auf den Kopf setzen kann, dann nehme ich einen Ledersack voller Erde, durch den ich den Draht von dem Kreuz laufen lasse. Muss ich dann mal im Unwetter sein, dann hänge ich [mir] alles um, und kommt dann auch der Schlag, dann schlägt der Blitz sich in der Erde tot; Und wenn er kalt ist, nehme ich ihn aus dem Sack, dann bekomme ich auch einen Blitz zu sehen. Es geht doch nichts darüber, wenn man ein bisschen mehr als alle weiß. Wäre ich doch ein bisschen eher bei Grete gewesen, sie lebte noch.“
Piäter: „Nu hüär ens, Jörgen! Wiel du doch suä völl ut de geliärden Büekern kanns vertellen, dröm well ech dier bewiesen, dat auch ech ens hei on do en Büekern ha gekieken. Ä Riemenbuek hett us Paschtuar van Ömmes – he heischt suä wonger – em Gesangbuek stont völl Lieder auch van em. Kott, en dem Buek do säit ’nen aule Vaar en einem Riemken va sinnem Jong, de Jörgen hiesch, wie du: ‚Vor Jürgen ist mir gar nicht bange, der kommt durch seine Dummheit fort.‘ Nu hüär ens! Krüder-Griät wor Wetwief, bluetarm, had wennigstens noch en’ge Blagen, den’t sur fält, sech et Köstken te verdienen. Ech denk, et klenkste nehmen wier no us; Äs Hiätweit kammen’t doch alt baul gebruken. Zwor es’t katolsch, – doch hett der liefe Heilangd Barmhattigkeit auch an den Sammarittern tom Beispiel utgeueft för alle Chresten. Die Stüwern, die wier do anlegen, send doch wahl suä guad verwangd, äs wenn us Jörgen so’n Estermengd bim Schmied sech maken lött; Wat menste, Jörgen? Säul dat wall nit wohr sin?“Peter: „Jetzt hör aber, Jürgen! Weil du doch so viel aus deinen gelehrten Büchern erzählen kannst, darum will ich dir beweisen, dass auch ich mal hie und da in die Bücher geschaut habe. Ein Gedichtbuch hat uns Pastor von Jemand [geschrieben?] – er heißt so wundersam – im Gesangbuch stehen auch viele Lieder von ihm. Kurzum, in dem Buch, da sagt ein alter Vater in einem Gedicht von seinem Jungen, der Jürgen hieß, wie du: ‚Vor Jürgen ist mir gar nicht bange, der kommt durch seine Dummheit fort.‘ Jetzt hör mal! Kräuter-Grete war Witwe, blutarm, hatte mindestens noch einige Kinder, denen es schwer fällt, sich eine Mahlzeit zu verdienen. Ich denke, das kleinste nehmen wir zu uns; Als Hirtenmädchen kann man das doch schon bald gebrauchen. Zwar ist es katholisch, – doch hat der liebe Heiland Barmherzigkeit auch an den Samaritern zum Beispiel für alle Christen ausgeübt. Die Stüber [Anm. alte Währungseinheit], die wir da anlegen, sind doch wohl so gut verwendet, als wenn unser Jürgen sich so einen Unsinn beim Schmied machen lässt; Was meinst du, Jürgen? Sollte das denn nicht wahr sein?“
Jörgen: „Jo, Vaar! dat dot! ech well da vör der Hangd so’n Dengen noch nit maken loten, on dat Gäild, dat ech dran waul legen, liefer för ‚t Weit te baten gewen, on da kann ech iäscht räit me’m Buek no prakkesieren, of et auch so geit, wie ech et en Konzepten had.“Jürgen: „Ja, Vater! Das macht! Ich will da vorerst so ein Teil noch nicht machen lassen, und das Geld, das ich so anlegen wollte, lieber dem Mädchen zur Hilfe geben, und dann kann ist erst recht mit dem Buch danach sinnieren, ob es auch so geht, wie ich es mir vorgestellt habe.“
Mettelschen: „O liefe Vaar! dat es gewes räit guad, ech han ault Tüg genaut för’t arme Weit. Godd! au, wie mag’t dem Blag wall öm’t Hatt sin! O Vaar! O Muer! ech mag der nit an denken, wann us so’n Hatteleid ens üewerköm.“Mechthild: „O lieber Vater! Das ist sicherlich recht gut, ich habe alte Kleidung genug für das arme Mädchen. Gott! Nein, wie mag es dem Kind nur ums Herz sein! O Vater! O Mutter! Ich mag da nicht dran denken, wenn uns so ein Herzensleid mal überkäme.“
Niäsken: „Jo, Bur! do hest du mächtig prakkesiert, ech well dem arme Weit ä Muersch-Platz gän en Roth on Dot on Bispell alles sin, on Kaubes kann et mo’n alt no us holen.“Agnes: „Ja, Bauer! Da hast du mächtig überlegt, ich will dem armen Mädchen an Mutters Stelle gerne in Rat und Tat und Beispiel alles sein, und Jakob kann es morgen schon zu uns holen.“
Kaubes: „Van Hatten gän! De Vüersatt deut mier, gläuf ech, völl besser guad äs Koffen oder Tiä. Et sot mer sös gewäulig en de Schoken; Bedrüeft däit döck ech an die arme Blagen, suä Weder scheimpt doch nit! On doch suä völl, die flueken en’ge Dutzendmol em Dag, vam Donnerkiel räit rüekels; mär Fluek-Drick, de nohm sech vüer, et doch nit miä te donn.“Jakob: „Von Herzen gerne! Der Vorsatz taugt mir, glaube ich, viel besser noch als Kaffee oder Tee. Es saß mir doch gewaltig in den Beinen; Betrübt dachte ich oft an die armen Kinder, so ein Wetter schimpft doch nicht. Und doch so viel, sie fluchen einige dutzend Mal am Tag, vom Donnerschlag besonders gemein; aber Fluch-Heinrich, der nahm sich vor, es doch nicht mehr zu tun.“
Piäter: „Et Flueken es en bister schäbbig Dengen, on we sech dran gewännt, dem geit nom Sprükwort: ‚De Aisster lött vam Höppen säilen af.‘ Mär wann der liefe Godd glieck dren wäul schlon, da wören der emmer Weder an der Laut; Da kriegen sös de Schmied misrabel völl te donn, wann Allemalk, de nit suä floekten, so Jörges-Wederestermengd mües han.“Peter: „Das Fluchen ist eine ungeheuer dreckige Sache, und wer sich daran gewöhnt, dem geht [es] nach dem Sprichwort: ‚Die Elster lässt vom Springen selten ab.‘ [Anm. sinngemäß: stehlen] Aber wenn der liebe Gott gleich da reinschlagen wollte, dann wären dort immer Unwetter in der Luft; Da bekämen doch die Schmiede miserabel viel zu tun, wenn jeder, der nicht so fluchte, so ein Jürgens-Wetterschrottgerät haben müsste.“

aus: „Germaniens Völkerstimmen, Sammlung der deutschen Mundarten in Dichtungen, Sagen, Märchen, Volksliedern“ von Johannes Matthias Firmenich-Richartz, Erster Band, erschienen 1854 in der Schlesinger’schen Buch- und Musikhandlung zu Berlin, Seiten 418 bis 422

Originaltext in Nevigeser Mundart, übertragen ins Hochdeutsche von Marc Real

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