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De Brank van de Scheidt’sche Fabrik

De Brank van de Scheidt’sche Fabrik

Der Brand der Scheidt’schen Fabrik


Aus Kettwig stammt dieser Zeitzeugenbericht über den Brand der Scheidt’schen Tuchfabrik an der Ruhr im Jahre 1880.

Am 13. August 1951 ist er als Erzählung eines alten Feuerwehrmannes in der Kettwiger Zeitung erschienen. Es berichtet Branddirektor a. D. Gertenbach, damals Leiter der Freiwilligen Feuerwehr in Kettwig.

Die Kettwiger Zeitung schreibt zum Hintergrund des Berichts: „Über den Brand, den die Tuchfabrik Johann Wilh. Scheidt AG. im Jahre 1880 bestehen mußte, liegen keine zeitgenössischen Berichte vor. Wohl aber hat ein der damaligen Pflichtfeuerwehr angehörender Kamerad in vorgerückter Stunde den Jüngeren oft von diesem Brand erzählt.“

Dieser Artikel wurde von Heinz-Herbert Münker, Schatzmeister des Kettwiger Museums- und Geschichtsfreunde e. V. digitalisiert und ins Hochdeutsche übertragen. Ich bedanke mich herzlich für die freundliche Zusammenarbeit und dafür, dass der Text an dieser Stelle erscheinen kann.

Damit Sie diese Geschichte bestmöglich verstehen können, finden Sie rechts neben dem Text in Mundart die hochdeutsche Übertragung.

De Brank van de Scheidt’sche Fabrik

„Kameraden! Wenn eck dat Wuat nehm, dann don eck dat, öm önk es te vertellen, wie et wua mit dem Brank achtehnhongertachzig.„Kameraden! Wenn ich das Wort ergreife, dann tu ich das, un euch mal zu erzählen, wie das war mit dem Brand achtzehnhundertachtzig.
Wie wuaren des Ovendes ene Plänk on diaden de Kegelbahn maken. Wie et tehn Uhr schlog, do seht aul Plänk: Jonges, die kriegen wie van Dag noch fiadig. Awer kaum hat he dat gesaag, do geng de Brandglok. Ek sin gelaupen, hese nee gesehn, no Hus hen. Do seht min Moder noch: Jong, wo brennt et dann? Awer dat woß ek selwer nee. Jetz geng et nom Börro hen, de Küwen herut. Do gengen newenbi gesaagt 5 Ohm Water drenn — on em Sturm geng et no de Ruhr. Doch wo dat Für wuar, dat woßten wie emmer noch nee.Wie waren des Abends in der Wirtschaft Plankermann und arbeiteten an der Kegelbahn. Wie es zehn Uhr schlug, da sagt der alte Plankermann: Jungen, die bekommen wir heute noch fertig. Aber kam hat er das gesagt, da ging die Brandglocke. Ich bin gelaufen, hast du nicht gesehen, nach Hause hin. Da sagt meine Mutter noch: Junge, wo brennt es denn? Aber das wusste ich selber nicht. Jetzt ging es zum Büro, die Fässer heraus. Da gingen nebenbei gesagt fast 700 Liter Wasser rein – und stürmisch schnell ging es zur Ruhr. Doch wo das Feuer war, das wussten wir immer noch nicht.
Doch jetz wuaden wie gewahr, dat de Fabrik brang. Wie wie mit dat Water do ankuamen, stong de ganze Fabrik en Flammen. Do moßten wie te’iescht dat Waterfahren dran gewen on Stöcker erut brengen en Hövels Gaaden. Doch hie luagen se nee gout, denn de Fonken flogen do soa heröwer, do moßten wie se no de Villa brengen. Mangs der Tied hadden se auk all en paar Stöcker gestohlen.Doch jetzt wurde uns gewahr, dass die Fabrik brannte. Als wir mit dem Wasser dort ankamen, stand die ganze Fabrik in Flammen. Da mussten wir zuerst das Wasserfahren aufgeben und Äste heraustragen in Hövels Garten. Doch hier lagen sie nicht gut, denn die Funken flogen dort zu stark herüber, da mussten wir sie zur Villa bringen. Währenddessen haben sie auch schon ein paar Äste gestohlen.
Op de Villa kregen wie nu en Glas Wien engeschott. In der Tied hadden se auk en paar Reihen oppgestellt beß bie Hermann Scheidt ane Paump on et Water met Eimeren van Hank te Hank gegewen. De Pastua de geng no de Fraulütt, die auk met ene Reih stongen, die moßten sich de Schörz öm de Kopp dreien, den die saulen sich dörch de Fonken, die ganz doll flogen, nee de Hoor verbrennen. Gustav Ulmann, de als Liajong op de Fabrik wua, leep van einem nom angeren met de Congakfläsch, doch et meisten dronken die, die garniks makten.Auf der Villa bekamen wir nun ein Glas Wein eingeschenkt. Zwischenzeitlich hatten sie auch ein paar Menschenreihen aufgestellt bis zu Hermann Scheidt an der Pumpe und das Wasser mit Eimern von Hand zu Hand gegeben. Der Pastor, der ging zu den Frauen, die auch mit in der Reihe standen, die mussten sich die Schürzen um den Kopf binden, dann sie sollen sich durch die Funken, die ganz stark flogen, nicht die Haare verbrennen. Gustav Ulmann, der als Lehrjunge in der Fabrik war, lief von einem zum andern mit der Cognacflasche, doch das meiste tranken die, die gar nichts machten.
Wie moßten wer mit de Küwen no de Ruhr, on wie wie do anne Arbet wuaren, do kuam Pückelschen Kaimer met en Korf voll Wien. Awer wenn gönt meinen, de hädden wie gekregen, denn verdonnt gönt önk, denn de Schandarm Blumenhagen de kuam on nuam us de ganze Krom aff. De seht vör us: ek krieg auk nix to drenken, dann bruken gönt auk nix. — Wo dat Tüg geblewen es, weit ek bes van Dag noch nee. Doch wie hand treu oh´n brav gearbet bis 1 Uhr. Ob einmol feel de Fabrik enein. Dat guaf en Füurregen, als wenn se Raketen aafgeloten hädden. Do sind de Spoolen geflogen bes ongen am Staadt. De Glocken lüdden noch es, on denn wuar et Schlemmste vörbi.Wieder mussten wir mit den Fässern zur Ruhr, und als wir dort an der Arbeit waren, da kam der bucklige Kaimer mit einem Korb voller Wein. Aber wenn ihr meint, die hätten wir bekommen, dann vertut ihr euch, denn der Gendarm Blumenhagen der kam und nahm und den ganzen Kram ab. Er sagte zu uns: ich bekomme auch nichts zu trinken, dann braucht ihr auch nichts. – Wo das Zeug geblieben ist, weiß ich bis heute noch nicht. Doch wir haben treu und brav gearbeitet bis ein Uhr. Auf einmal stürzte die Fabrik ein. Das gab einen Feuerregen, als wenn sie Raketen losgelassen hätten. Da sind die Spulen geflogen bis unten zum Staadt. Die Glocken läuteten noch einmal und dann war das Schlimmste vorbei.
Jetz wua auk einen met en paar Piad do, öm se vor de Küwen te spannen, die hadden wie jetz awer nemmer nüadig. Doch de ganzen Omend wua van de Villa ut Wien, Schnaps on belegte Botteren gescheckt wuaden, awer do hand wie, die et Water schleipen moßten, nix van gesehn, dat wuat all bowen em Fabrikshof konsumiert. Als wie do bowen hinkuamen, hat de ganze Gesellschaft de Plüm warm. Die kaunen nemels mer de Brankwach stellen, dat moßten wie noch maken. Stadtsekretär Hüllstrung, de de Namen van de Pflichtfeuerwehrlütt opschriewen waul, kaun deem Bleistef nemmer faßhaulen.Jetzt war auch jemand mit ein paar Pferden da, um sie vor die Fässer zu spannen, die hatten wir jetzt aber nicht mehr nötig. Doch den ganzen Abend waren von der Villa aus Wein, Schnaps und belegte Butterbrote geschickt worden, aber da haben wir, die das Wasser schleppen mussten, nichts von gesehen, das wurde alles oben im Fabrikhof konsumiert. Als wir dort oben hinkamen, hatte die ganze Gesellschaft die Bäuche warn. Die konnten nicht einmal mehr die Brandwache stellen, das mussten wir noch machen. Stadtsekretär Hülstrunk, der die Namen der Pflichtfeuerwehrleute aufschreiben wollte, konnte den Bleistift nicht mehr festhalten.
Et angere morgens em sess Uhr do hand wie awer noch es gelaacht. Do kuamen en paar an met Koffekrükskes on waulen arbeien, die woßten noch nee, dat de Fabrik afgebrannt wua, on die wonden doch anne Kerk. —Am nächsten Morgen um sechs Uhr haben wir aber doch noch gelacht. Da kamen ein paar an mit Kaffeekännchen und wollten arbeiten, die wussten noch nicht, dass die Fabrik abgebrannt war, und die wohnten doch an der Kirche.
Dat es dat, wat ek önk vertellen waul. Dobi kammen wer sehn, dat diejenigen, die sich bi sowat bloß herömdröcken, et meiste mitkriegen.“Das ist das, was ich euch erzählen wollte. Dabei kann man wieder sehen, dass diejenigen, die sich bei so etwas bloß herumdrücken, das meiste mitkriegen.“

aus der Kettwiger Zeitung vom 13.08.1951, erschienen im Verlag von Friedrich Flothmann zu Kettwig

Originaltext in Kettwiger Mundart, übertragen ins Hochdeutsche von Heinz-Herbert Münker, überarbeitet von Marc Real

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