bergischplatt.de - Die Sprachwelt an Rhein, Ruhr und Wupper

Wie men te Fut met der Iserbahn reist

Wie men te Fut met der Iserbahn reist

Wie man zu Fuß mit der Eisenbahn reist


Aus Schöller stammt diese Geschichte über den Versuch eines Herrn, mit der Eisenbahn nach Düsseldorf zu reisen.

Im Jahre 1854 wurde diese Erzählung vom Kölner Sprachforscher Johann Matthias Firmenich-Richartz als Beispiel für die in Schöller gesprochene Mundart in die umfangreiche Sammlung deutscher Dialekte „Germaniens Völkerstimmen“ aufgenommen.

Damit Sie diese Geschichte bestmöglich verstehen können, finden Sie rechts neben dem Text in Mundart die hochdeutsche Übertragung. Zur besseren Lesbarkeit wurden die im Original verwendeten Apostrophen ausgespart („na’m“ -> „nam“) und die wörtliche Rede mit entsprechenden Anführungszeichen kenntlich gemacht.

Wie men te Fut met der Iserbahn reist

Te Schöller wonnden ens ne Mann, de woul no Düsseldorf reisen. Nu hatt he gehut, dat me met der Iserbahn su sihr fottköm. Do woul e dat ens probiren. Op ene freue Morgen mackden e sech parat on gong no der Hallen, do nohm e sech ne Schluck met op de Weg, on do paselackden e no Vuhwenkel. Dat es mer drei Viedeluhren.Zu Schöller wohnte einst ein Mann, der nach Düsseldorf reisen wollte. Nun hatte er gehört, dass man mit der Eisenbahn viel schneller fortkäme. Da wollte er das einmal ausprobieren. Eines frühen Morgens machte er sich bereit und ging zum Hallenwirt, da nahm er sich einen Schluck mit auf den Weg und ging mühsam bis nach Vohwinkel. Dafür brauchte er eine Dreiviertelstunde.
Nu wor dat Weder su nett, do däit e: „Wat sall ech do su loupen, eck kum doch noch freu genogt.“ Äs e doch ewes ut dem Bosch wor, do kom der Daimper alt van Elberfail. Do liep e su hatt, äs e mer em Balg koun, ewer et gong em doch scheif. He däit nit, dat dat su sihr geng.Nun war das Wetter so schön, dass er sich dachte: „Was soll ich mich denn so beeilen, ich komme doch noch früh genug.“ Als er gerade aus dem Wald heraus war, da kam schon die Dampflok aus Elberfeld. Da lief er so schnell, wie er nur konnte, aber es ging doch schief. Er dachte nicht, dass sie so schnell führe.
Et wor noch freu, do bedäit e sech nit lang on stiefelden no der Quallerheid. Do hatt e nu wall Tiets genogt. Wann e nett op si Vermak gong, da koun e doch noch te Düsseldorp et Ommelt eten. Ewer do quatschden e get lang met dem Wölfing, ih e sech fottmackden.Es war noch früh, da hielt er nicht lang inne und zog log zur Quallerheide. Da hatte er nun wohl Zeit genug. Wo er es sich doch so nett gemütlich machte, da könnte er doch noch in Düsseldorf zu Mittag essen. Aber dann redete er etwas zu lange mit dem Wölfingswirt, ehe er sich auf den Weg machte.
Äs e do nökes en der Quallerheid wor, do gong em de Wagen vör der Nasen dennen, on he hatt et Nokiken ömmesöß. Do kratzden e sech get henger den Uhren on trock nom Bekeshus. Do gong e eren on liet sech en Dröpken gewen on wachden op den Wagen. Dat wor der dredden alt.Als er dann beinahe an der Quallerheide war, fuhr im der Zug vor der Nase weg, und er sah ihm noch umsonst hinterher. Da kratzte er sich etwas hinter den Ohren und zog zum Gut Beckeshaus. Dort trat er hinein und ließ sich einen Tropfen einschenken und wartete auf den Zug. Das war schon der dritte.
Äs e ens ewes gekohrt hatt, do kom e. Do liep e erut on däit e sinnem Senn: „Nu, Vügelschen, han ech dech doch!“ Do seiten se em, de Düsseldorper Wagen wör noch nit te Erkreth, su lang müß dösse wachten.Als er gerade etwas gekostet hatte, da kam er. Da lief er hinaus und dachte in seinem Sinn: „Jetzt, Vögelchen, habe ich dich doch!“ Da sagten sie ihm, der Waggon nach Düsseldorf wäre noch nicht in Erkrath, so lange müsste er noch warten.
Do stong e noch on kiek, bös dat de anger Wagen do wor; do däit e: „Nu es Tiet.“ Do liep e wacker eren on krieg sinne Stock on sin Kapp on nohm noch ne Schluck. Äs e et Glas an de Mongd sadden, do fong der Daimper alt an te husten. Do tauden e sech on liep vör de Dür on woul sech dresetten; ja, proste Molltiet, do wor e alt e paar Schmiet Wegs fott. Da stand er nun und schaute, bis der andere Wagen dort war; er dachte nun: „Jetzt ist es Zeit.“ Da lief er schnell hinein, um seinem Stock und seine Kappe zu nehmen und nahm noch einen Schluck. Als er das Glas an den Mund setzte, da fing die Dampflok schon an zu husten.
Do wud e wer geftig on flockden: „Himmer Schwärnuth, nu wöllden ech ouch, dat du de Krenkde kriegs!“ Ewer do kihrde sech der Wagen nit dran on liep, wat e loupen koun. Do liet e sech van Ärger noch e Kännsche gewen, on woul op de leste wachten. Da wurde er wieder wütend und fluchte: „Himmel Schwerenot, jetzt will ich auch, dass du eine Krankheit bekommst!“ Aber daran störte sich der Wagen nicht und lief, wie er laufen konnte. Da ließ er sich vor Ärger noch etwas Branntwein geben, und wollte auf den letzten warten.
„Der Deuger!“ däit e, „dat well ech doch nit donn, dat deit, dat et hei den Berg heraf geit, dat e su sihr löpt. Ech well no Erkreth gonn.“ Do wor e nu hell. Do frogden e ens, wannih dat de leste köm; on dat durde noch twei Stond. „Der Henker“, däit e, „ech han alt su völl vertehrt van Dag, do kann ech noch twei Groschen profeteren, wann ech no Gerressem gonn.“„Zum Teufel!“ dachte er, „da konnte ich nichts machen, das ist nur, weil es hier den Berg herabgeht, dass er so schnell fährt. Jetzt will ich nach Erkrath gehen.“ Dort war er auch schon bald. Da erkundigte er sich, wann denn der letzte Zug kommt; und dass dauerte noch zwei Stunden. „Zum Henker“ dachte er, „ich habe heute schon so viel verzehrt, do kann ich noch zwei Groschen verdienen, wenn ich nach Gerresheim gehe.“
„Da es äckes en Stond hei van dennen; do sin ech ouch sü völl nöder te Düsseldorp, wann e mer noch ens af loupe geit. Ewer ech sall mech nu wall en Ait nehmen, et sall mer nit illig su gonn.“„Das ist nur eine Stunde von hier entfernt; da bin ich auch so viel näher an Düsseldorf, wenn er mir noch einmal wegfährt. Aber ich soll mich jetzt gut in Acht nehmen, es soll nicht für immer so weitergehen.“
Do liet e sech noch ih get te eten gewen on do sockden e af. Dat gong nu all gut. He nohm sech e Schingken on gong an de Iserbahn stonn on patzden op. Am Eng do kom e. Nur wor he mudersieligen allein, de do estieg, on dat wosst e nit.Da ließ er sich noch eben etwas zu essen geben und dann ging er los. Das gelang nun alles gut. Er nahm sich ein Scheinchen und ging zur Bahnstation und passte auf. Endlich kam er. Nur war er der Einzige, der einsteigen wollte, doch das wusste er nicht.
Do stiegen er völl ut, die bliewen do noch stonn on kieken nom Wagen. Do woul e dregonn; „och,“ däit e, „ech bruk doch nit er ischten te sin, hant die Angern noch Tiet te passen, dann han ech et ouch.“ Do fong de Wagen su öthlich an te gonn; do fong he ouch an te gonn.Es waren so viele ausgestiegen, die noch stehenblieben und den Zug anschauten. Da wollte er einsteigen; „och,“ dachte er, „ich muss doch nicht der Erste sein, wenn die anderen noch Zeit haben, dann habe ich sie auch.“ Da fing der Wagen allmählich an, sich zu bewegen; da bewegte er sich auch.
Ewer do gof sech de Wagen an et Loupen, do gof he sech ouch an et Loupen, baul su sihr äs der Wagen. Ewer et wor te lat. De Daimper verstong et besser äs he, on gong em noch ens derdur. Da lachden en de Lüt all ut, on vexirden en get. On wann e te Düsseldorp nix Nüdiges te donn hätt gehatt, da wör e op der Stepp wir eröm gegangen, su knedderig wor e.Doch dann fing der Zug an zu laufen, da fing er auch das Laufen an, fast so schnell wie der Zug. Jedoch war es zu spät. Die Dampflok war schneller als er, und entwischte ihm ein weiteres Mal. Da lachten ihn alle Leute aus, und hielten ihn noch etwas auf. Und hätte er in Düsseldorf nichts Dringendes zu erledigen, da wäre er auf der Stelle wieder umgekehrt, so niedergeschlagen war er.
Äs e do en de Stadt kom, do kieken en de Lüt all su an on lachden en ut. Do wosst e nit, wie dat wor; he besoch sech alt ens allenengen, ewer he houn nix fengen. On äs he neiten heim hom, do wud he ouch utgelacht.Als er dann in die Stadt kam, da schauten ihn die Leute an und fingen sogleich an, über ihn zu lachen. Da wusste er nicht, wie ihm geschah; er besah sich nun von allen Seiten, doch hat er nichts gefunden. Und als er des Nachts heimkehrte, da wurde er auch ausgelacht.
„Der Donner!“ däit e, „die wieten doch nix dervanm wie et dir gegangen hat, wat lachen die dann?“ Do gong e ens vör et Spiegel stonn on bekiek sech ens. Do stong em de Hut hengen diep em Nacken, on die Horen am Backenbat, die stongen em all op de Uhren an, grad verkiht. Dat wor dova kumen, äs he su sihr dem Wagen noliep; do wor nämlich de Wengd su stark.„Zum Donner!“ dachte er, „die wissen doch nichts davon, wie es dir ergangen ist, warum lachen die denn?“ Da ging er sofort vor den Spiegel und sah sich an. Es stand ihm der Hut hinten tief im Nacken und die Haare am Backenbart, die standen ihm alle vor den Ohren, genau verkehrt. Das ist daher gekommen, weil er so sehr dem Wagen nachlief; da war nämlich der Wind so stark.

aus: „Germaniens Völkerstimmen, Sammlung der deutschen Mundarten in Dichtungen, Sagen, Märchen, Volksliedern“ von Johannes Matthias Firmenich-Richartz, Erster Band, erschienen 1854 in der Schlesinger’schen Buch- und Musikhandlung zu Berlin, Seiten 438 und 439

Originaltext in Schölleraner Mundart, übertragen ins Hochdeutsche von Marc Real

Related Posts