Ihr lieben Leute, hört ein Stück euch an
Aus Neviges stammt dieses Gedicht über die Franzosenzeit bis 1813. Ein Soldat wird bei einer Bauersfamilie einquartiert und fordert die Bäuerin mit seinen besonderen Speisewünschen.
Im Jahre 1854 wurde dieses Gedicht vom Kölner Sprachforscher Johann Matthias Firmenich-Richartz als Beispiel für die in Neviges gesprochene Mundart in die umfangreiche Sammlung deutscher Dialekte „Germaniens Völkerstimmen“ aufgenommen.
Damit Sie dieses Gedicht bestmöglich verstehen können, finden Sie rechts neben dem Text in Mundart die hochdeutsche Übertragung.
Lief Lütsches, hüät ä Stöcksken an
Lief Lütsches, hüät ä Stöcksken an Dat ech önk nett vertellen kann Wohr es et, ech kannt önk sagen Bi‘m Bur, va Langenberg nit wiet Do hett et enner Franzuasentiet sech nettsches taugedragen. | Ihr lieben Leute, hört ein Stück euch an Das ich euch nett erzählen kann Wahr ist es, das kann ich euch sagen Beim Bauern, von Langenberg nicht weit Da hat in der Franzosenzeit sich Amüsantes zugetragen. |
Dat wor en Tiet! Do kann men noch Völl va vertellen, ewer doch Kei netter äs döt Stöcksken. Gött lachen secher döser Fück Ut em F, dröm haulent önke Bück! Em Stöcksken es kei Knöcksken. | Das war eine Zeit! Da kann man noch viel von erzählen, aber doch nichts Schöneres als dieses Stück. Sicher lacht ihr über diese Bräuche von Herzen, drum haltet eure Bäuche! In dem Stückchen ist kein Knochen. |
Nen dommen Bur, ä gitzig Wief Die kriegen enä Karmanjual op et Lief De had Hoor op‘n Tängen He kom heren on säit: „Parbleu! All Tak mi Supp kok, au nom de Dieu!“ On schmiet de Flent ut‘n Hängen. | Ein dummer Bauer, ein geiziges Weib bekamen einen Korporal auf den Leib Der hatte Haare auf den Zähnen Er kam herein und sprach: „Parbleu! Alle Tage Suppe kochen, au nom de Dieu!“ Und schmiss das Gewehr aus dem Gurt. |
„Tout de suite la soupe kok! Mutter, hörsch?“ „Godd waul‘s! Wat es de Käl korjösch, De wäd us trebelieren! Wat fangen wier dobie doch an?“ Suä säit de Frau tau ärren Mann, „Wat wäd us de fexiren!“ | „Tout de suite die Suppe kochen! Mutter, los!“ „Gott erbarme! Was ist der Kerl kurios, der macht uns noch mal Ärger! Was fangen wir mit ihm nur an? So sprach die Frau zu ihrem Mann, „Der wird uns Arbeit machen!“ |
„Nu laup on hol fosch Fleisch geschweng Ut em Dorp, on fosche Weck, on breng Ries, Zafferon on Peffer! Ech kok et Water en der Tiet Nu laup geschweng! Et Dorp es wiet On de Käl es en büäse Käffer!“ | „Jetzt geh, hol frisches Fleisch geschwind Aus dem Dorf, und frische Brötchen, und bring Reis, Safran und Pfeffer! Ich koch‘ das Wasser in der Zeit Nun lauf geschwind! Das Dorf ist weit Und der Kerl ein böser Kläffer!“ |
Gesäit, gedonn; nit lang, do wor De Fleischbrüeh fädig, op en Hoor Suä wie se bi us koken Räit guad, fresch gehl va Zafferon Brav Ries, Fettäuskes drüöwer, on Stief voll auch va Weckbrocken. | „Gesagt, getan: nicht lang, da war die Fleischbrühe fertig, auf ein Haar So wie wir sie bei uns kochen recht und gut, frisch gelb von Safran mit gutem Reis und Fettaugen dran steif und dick von Brötchenstücken. |
„Muscheu! Do es la soupe! Nu fret!“ „Bon, bon! Ma foi, une bonne conquête! Is jut für mik, es wohr, Muuter?“ He nohm de Lepel, rührden op Do säit he glieck em Geft alt drop: „Nis ke chou dedans? Hé, foutre!“ | „Monsieur! Hier ist la soupe! Jetzt iss!“ „Bon, bon! Ma foi, une bonne conquête! Ist gut für mich, ist wahr, Mutter?“ Er nahm den Löffel, rührte um Schon wird er giftig, fragt warum „Ist kein chou dedans? Hé, foutre!“ |
„Tu, Muuter! Ik dik saki was Für Morki chou in soupe, tu as Assez de chou in Use.“ Do wot dat Wief alt hippenbang. „Für Morki nis ke chou dedans, Dik Muuter schlak un stuße.“ | „Tu, Mutter! Ich dir sage was Für Marquis chou in soupe, tu as Assez de chou im Hause.“ Da wurde der Frau Angst und Bange. „Ist für Marquis kein chou dedans, Dich Mutter schlage ich und stoße.“ |
He wies – on flokten völl coyons! De Geftschum stong em vör dem Mong On frot mär einen Teller Dat Wief kom sös en gruate Nuat: „Godd waules, Bur! Häs du et gehuat? Dät es nä räite Queller.“ | Er ging fort und fluchte viel couillons! Der Wutschaum stand ihm vor dem Mund Und aß nur einen Teller Die Frau kam nun in große Nöte: „Gott, Bauer! Hast du das gehört? Das ist mir ja ein Quälgeist.“ |
„Wat fangen wier dobie doch an? En de Brüeh well he nu Schauen han Die ka jo nömmes freten De Käl es voll, of es en Narr We kokt dann aule Schauen gar? Of se die en Frankrik eten?“ | „Was fangen wir damit jetzt an? An die Brühe sollen Schuhe dran Die kann doch niemand fressen Der Kerl ist voll, oder ein Narr Wer kocht denn alte Schuhe gar? Ob sie die wohl in Frankreich essen?“ |
„Ech weit et niet; doch es et us Auch ewenvöll, wa wier em Hus Mär Schluffen hant, räit aulen Da kok se em mär, so guad äs et geit Mier wör de Brüeh, dat Fleisch te schläit De guade Schau mos du haulen.“ | „Ich weiß es nicht; jetzt ist es raus und auch ganz gleich, da wir im Haus Noch Schlappen haben, wirklich alte Koch die ihm doch, so gut es geht Mir wären Brühe und Fleisch zu schade Die guten Schuhe doch behalte.“ |
„Do weit ech keinen bessern Roth De Schlüfkes send ganz ut der Noht Van usser kleinen Blagen Ech wäsch on kok se em dann appatt Dat et se döck besuddelt hat Brukt me em nit te sagen.“ | „Jetzt weiß ich keinen besseren Rat Die Schlappen fallen aus der Naht Von unseren kleinen Kindern Ich wasch und koch sie, so gut es geht Dass die Kleine sie oft besudelt hat Muss man ihm ja nicht sagen.“ |
Gesäit, gedonn; die Frau, die nohm De Schlüfkes, kokten sie on kom Den angern Dag gedragen Op em äden Teller nettsches, satt Se bi de Supp on däit: „Dat batt Nu hett he nicks te sagen.“ | Gesagt, getan; die Frau, sie nahm Die Schlappen, kochte sie und kam Am nächsten Tage sie aufzutragen Auf einen feinen ird‘nen Teller, tat zur Suppe sie dann und dachte: „Das passt, Nun kann er sich nicht beklagen.“ |
Se rief de Karmanjual heren On säit: „Do es et no dinnem Senn, Nu kannste satt dech freten!“ Glieck satt sech de Franzuas dohen On rührden met dem Lepel dren Wiel sech de Käls nit bäden. | Sie rief den Korporal herein „Nach deinem Sinn wird es jetzt sein, Nun kannst du satt dich essen!“ Gleich setzt sich der Franzose hin Und rührte mit dem Löffel drin Ließ sich nicht lange bitten. |
Mär, Zakkerluat! Do geng es sös! „Canaille Muuter! Va! Tu as Mik nis‘ke chou kekoket?“ „Do send se jo! Wat woste miä?“ „Dik schlak kenuk, coquine!“ On iä Se fot kau laupen, brok et | Doch, Sapperlot! Dann ging es los! „Canaille Mutter! Va! Tu as mir nicht den chou gekocht?“ „Da sind sie doch! Was willst du mehr?“ „Ich schlag dich fest, coquine!“ Und eh Sie flüchten konnte, brach es |
Äs wie Donnerweder ut! De Käl de stieg er op de Hut Met sinnem Flederweschken. He hielt er gräulich op de Noht on flokten, wie en Beer, on trot Va Geft glieck öm dat Deschken. | Wie ein Donnerwetter aus! Der Kerl verlor jetzt die Geduld hoch ging der Hut mit seiner Feder Er hielt die Frau an ihrem Kragen und fluchte, wie ein Bär und trat vor Wut den ganzen Esstisch um. |
„J‘irai au commandant, für dik Tout de suite prison! Va, Garce! Für mik En outre nu nok will klaken Franzus han soupe, mus han du chou!“ „Gank, lus Franzuas, du Schenast, du! Ech sall et auch wall sagen.“ | „J‘irai au commandant, für dich Tout de suite prison! Va, Garce! Für mich En outre muss ich noch sagen in Franzosen soupe gehört du chou!“ „Geh, lausiger Franzose, du Störenfried, du! Das sage ich ganz deutlich.“ |
Nu geng et auch so glieck hengerein Geschweng send de Franzuasenbein Doch liep dat Wief niet säiter De Schäukes an der Hangd, em no Suä komen se teglicks baul do Op‘t Schloß, do geng et nit schläiter. | So liefen eine nach dem andern Schnell konnten seine Beine wandern Doch lief die Frau nicht langsamer Die Schuhe in der Hand, ihm nach So kommen sie zugleich bald an im Schloß, es wird noch amüsanter |
De Karmanjual kallt op franzüäsch Met em Kommendant, dat Wief korjüäsch Op dütsch met der gniädge Frauen: „De Käl waul Schau han en de Brüeh Ech kokten em nett appatt ze die Doch hett he mech gehauen.“ | Der Korporal sprach auf Französisch Mit dem Kommandanten, die Frau spontan auf Deutsch mit der gnädigen Dame: „Der Kerl wollte Schuh in seiner Suppe haben Ich kochte eigens für ihn diese Doch hat er mich geschlagen.“ |
On Beids liet men se kallen ut Mär ech mein, do gov et sös ä Gelut! Se baschten baul va Lachen. De Käl mues en et Prisun heren Dat wor dem Wiefken suä am Senn Do se auch met mues lachen. | Und beide ließ man sich besprechen Ich sag euch, das gab ein Gelächter Sie platzten bald vor Lachen. Der Kerl musste zum Gefängnis hin Das war der Frau ganz nach dem Sinn Und hatte gut zu lachen. |
aus: „Germaniens Völkerstimmen, Sammlung der deutschen Mundarten in Dichtungen, Sagen, Märchen, Volksliedern“ von Johannes Matthias Firmenich-Richartz, Erster Band, erschienen 1854 in der Schlesinger’schen Buch- und Musikhandlung zu Berlin, Seite 416
Originaltext in Nevigeser Mundart, übertragen ins Hochdeutsche von Marc Real
wunderbar..würde noch gerne einzelne Wörter wissen