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De Bur on die Studenten

De Bur on die Studenten

Der Bauer und die Studenten


Aus Ratingen stammt diese Geschichte von drei listigen Studenten, die einen Bauern um seinen Esel brachten.

Im Jahre 1854 wurde sie vom Kölner Sprachforscher Johann Matthias Firmenich-Richartz als Beispiel für die in Ratingen gesprochene Mundart in die umfangreiche Sammlung deutscher Dialekte „Germaniens Völkerstimmen“ aufgenommen.

Damit Sie diese Geschichte bestmöglich verstehen können, finden Sie rechts neben dem Text in Mundart die hochdeutsche Übertragung. Zur besseren Lesbarkeit wurden die im Original verwendeten Apostrophen durch entsprechende Vokale ersetzt („wi’r“ -> „wier“).

De Bur on die Studenten

Drei Studenten jengen van der Onniversität on hadden keine Penning Gäild mie en der Täsch. En döser Log komen sie üwer e Fäild on sogen do en Kaar, wo ene Esel en wor gespannen; on de Bur, dem de Esel huden, log derbei on schliep. Drei Studenten gingen von der Universität und hatten keinen Pfennig Geld mehr in der Tasche. In dieser Lage kamen sie über ein Feld und sahen dort einen Karren, vor den ein Esel gespannt war; und der Bauer, dem der Esel gehörte, lag daneben und schlief.
„Hault!“ säit eine Student, „wir wellen dem Bur de Esel afstehlen on dann verkoupen, damm krigen wir wieder Gäild.“ Do säit de angere: „Dat dörwen wir nit donn, sös hant wir jo gestohlen.“ Do säit de dredde: „Jongen! Ech weit, wie wir et maken, nemmt ihr de Esel met, on dut mech dofür en die Kaar, ech well mech wal verantwoden.“ Die twei angern diden dat on jengen met dem Esel en et nöste Dorp on luschierden do. „Halt!“ sagte ein Student, „wir wollen dem Bauern den Esel abnehmen und dann verkaufen, dann kommen wir wieder an Geld.“ Da sagte der andere: „Das dürfen wir doch nicht tun, sonst hätten wir ja gestohlen.“ Da sagte der dritte: „Jungs! Ich weiß, wie wir es machen, nehmt ihr den Esel mit und macht mich dafür an den Karren, ich werde mich schon zu erklären wissen.“ Die zwei anderen taten das und gingen mit dem Esel in das nächste Dorf und ließen sich nieder.
Äs nu de Bur wackrich wude, mackden he grute Ougen, äs he für sinnen Esel sonne jonge Stutzer en der Kaar sog. De Student äwer fiel vör öm op die Kniee on säit: „Ech sin üre Esel, hürt min Geschichte an! Mi Vader es ne rike Baron. Wie ech nu noch sonne kleine Jon wor, do wor ech immer ondünig, on do ech mech och nit bessern woul, verwönschte he mech en ne Esel; on nu es die Tid gekumen, dat ech wier erlüst sin.“ Do liet en de Bur jon. De Student freuden sech do üwer on jon no sin Kameraden en et Wietshus. Als nun der Bauer erwachte, machte er große Augen, als er statt seines Esels so einen jungen Kerl am Karren sah. Der Student aber fiel vor ihm auf die Knie und sagte: „Ich bin euer Esel, hört meine Geschichte an! Mein Vater ist ein reicher Baron. Als ich einst ein kleiner Junge war, habe ich nie auf meinen Vater gehört, und als ich mich auch nicht bessern wollte, verwünschte er mich in einen Esel; und jetzt ist die Zeit gekommen, dass ich erlöst werde.“ Da ließ ihn der Bauer gehen. Der Student freute sich darüber und ging zu seinen Kameraden ins Wirtshaus.
Den angern Dag wor en dem Dorp Viehmat, wo die Studenten ören Esel henbreiten, om en te verkoupen. Op döse Mat kom och de Bur, öm sech ne neuen Esel te gäilen. As he do nu sinnen Esel sog, säit he: „Du boß mech äwer de räite Vugel! Hät dech di Var ald wier en ne Esel verwönscht? Du sallst mech, min Sil! nit noch ens anschmären, ech gäil dech, ferhaftig! nit noch ens.“Am nächsten Tag war in dem Dorf Viehmarkt, auf den die Studenten ihren Esel brachten, um ihn zu verkaufen. Auf diesen Markt kam auch der Bauer, um sich einen neuen Esel zu leisten. Als er dort nun seinen Esel sah, sagte er: „Du bist mir ja der richtige Vogel! Hat dich dein Vater schon wieder in einen Esel verwandelt? Du sollst mich, bei meiner Seele, nicht noch einmal betrügen, ich kaufe dich, fürwahr, nie wieder.“

aus: „Germaniens Völkerstimmen, Sammlung der deutschen Mundarten in Dichtungen, Sagen, Märchen, Volksliedern“ von Johannes Matthias Firmenich-Richartz, Erster Band, erschienen 1854 in der Schlesinger’schen Buch- und Musikhandlung zu Berlin, Seite 431

Originaltext in Ratinger Mundart, übertragen ins Hochdeutsche von Marc Real

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