Peter Kessel
Aus Lintorf stammt die Erzählung über den Bettler Peter „Pitter“ Kessel und seine Eigenarten.
Diese Geschichte wurde von dem Lintorfer Drucker und Heimatchronisten Hubert Perpéet verfasst. Er wurde im Jahre 1892 geboren und erlangte durch seine verlegerische Tätigkeit Bekanntheit, die mehrere Zeitungen und Zeitschriften für Lintorf und das Amt Angerland hervorbrachte. So beteiligte er sich auch häufig mit mundartlichen Beiträgen an der seit 1950 erscheinenden „Die Quecke“. Diese Zeitschrift wird vom Verein Lintorfer Heimatfreunde herausgegeben, dessen Mitbegründer er im Jahre 1950 war. Hubert Perpéet verstarb im Jahre 1970.
Damit Sie diese Geschichte bestmöglich verstehen können, finden Sie rechts neben dem Text in Mundart die hochdeutsche Übertragung.
Diese Erzählung wurde freundlicherweise vom Verein Lintorfer Heimatfreunde zur Verfügung gestellt. Für die gute Zusammenarbeit möchte ich mich herzlich bei der Vorsitzenden, Frau Barbara Lüdecke, bedanken!
Pitter Kessel
E Stöckske op Lengtörper Platt | Ein Stückchen auf Lintorfer Platt |
Et wohr alt sonne Pitter Kessel… Arbe-ide dieht heh nit gehn. Heh läffden vom Behdele on sieht de me-iste Tiet de Sonn en dr Hals schieh-ne. Op Blottche, ne grute Schnorrbüdel om Rögge, liep heh böß en et Bergische, no Velbert, Elwerfeld on noch widder. En de Schnorrbüdel stobbden heh alles erenn, wat heh tesahmebehdele könnt: Bruht on Klätschkies, Eier on Speck, Ries on Saultherring. Dorch dat Schokkele wohr dann am Owend alles dorche-in: de Herring lohren em dikke Ries, dr Speck em Klätschkies, on de kapodde Eier driewen üwer et Bruht. Äweer dat makkden nix — jejehte wuhden et doch. | Es war einmal so ein Peter Kessel… Arbeiten tat er nicht gerne. Er lebte vom Betteln und sah die meiste Zeit die Sonne in den Hals scheinen. Auf Holzschuhen, einen großen Schnürbeutel auf dem Rücken, lief er bis ins Bergische, nach Velbert, Elberfeld und noch weiter. In den Schnürbeutel stopfte er alles hinein, was er zusammenbetteln konnte: Brot und Quark, Eier und Speck, Reis und Salzhering. Durch das Schütteln war dann am Abend alles durcheinander: die Heringe lagen im Milchreis, der Speck im Quark und die kaputten Eier trieben über dem Brot. Aber das machte nichts – gegessen wurde es doch. |
Dr Pitter Kessel haht sech ne e-ike Spazierstock gemakkt, on owe an dr Krökk en Flö-it drenn geschniede. Mit „Tüle-düt, Tüle-tüle-düt, Tü-tü-tüüü” trokk heh dorch de Dörper, on et wohr vör de Kenger ne jruhte Buhei, wenn se metlo-epe kounden. Wenn dr Pitter op dämm Stock flöd-den on sinn Meuz makkden, diehten de Kenger och genau suh met de Leppe flö-ete: „Tüle-düt, Tüle-düt, Tü-tü-tüüü.“ | Der Peter Kessel hat sich einen eichenen Spazierstock gemacht, und oben an der Krücke eine Flöte hineingeschnitten. Mit „Tüle-düt, Tüle-tüle-düt, Tü-tü-tüüü” zog er durch die Dörfer und es war für die Kinder ein großes Spektakel, wenn sie mitlaufen konnten. Wenn der Peter auf dem Stock flötete und seine Faxen machte, machten die Kinder es genau so und flöteten mit der Lippe: „Tüle-düt, Tüle-düt, Tü-tü-tüüü.“ |
Owe am Sänke, bold am Sonnesching, stong em Pitter sinn armsellig Hüß-ke, on tiehn Minütte drvann em Ar-mehüßke wonnden et Mönche Mikke. Et Mönche Mikke dieht sech och vom Behdele ernähre, wohr also sutesah-re Konkurrrenz vom Pitter. Wenn se nun mol, wenn et dr Zufall wollden, en et selwe Dörp kohmen, öm te behdele, dann diehden sech die twei utschänge, dat de Lütt tesahmliepen. | Oben am Senken, bald am Sonnenschein, stand Peters armseliges Häuschen, und zehn Minuten davon im Armenhaus wohnte die Tante Marie. Die Tante Maria ernährte sich auch vom Betteln, war also sozusagen Konkurrenz für Peter. Wenn sie nun mal, wenn es der Zufall wollte, in dasselbe Dorf kamen, um zu betteln, dann schimpften die zwei sich aus, dass die Leute zusammenliefen. |
On doch mauhten sech die twei em geheime jud liehde. An nem jude Dagg nohm sech use Pitter e Häzz, trokk sech e Paar flatscheneue Blottsche on et Sonteihskamisol ahn on makden sech op, nom Mönche Mikke freie te jonn. Wie heh nu an et Armehüßke kohm, seihden öm de Lütt: „Denk dech enns Pitter, hütt morje hant se et Mikke duht em Bett gefonge!“ Do drennden sech dr Pitter erömm on flödden: „Tüle-düt, Tüle-tüle-düt, Tü-tü-tüüüü“, on dikke Tröhne liepen öm de Bakk eronger. | Und doch mussten sich die zwei im Geheimen gut leiden. An einem guten Tag fasste sich unser Peter ein Herz, zog sich ein Paar klatschneue Holzschuhe und den Sonntagsanzug an und machte sich auf, um Tante Marie den Hof zu machen. Als er nun zum Armenhäuschen kam, sagten ihm die Leute: „Stell dir mal vor, Peter, heute morgen haben sie die Marie tot im Bett gefunden!“ Da drehte sich der Peter herum uns flötete: „Tüle-düt, Tüle-tüle-düt, Tü-tü-tüüüü“, und große Tränen liefen ihm die Wange herunter. |
aus der Zeitschrift „Die Quecke – Angerländer Heimatblätter“, 1. Jahrgang, 2. Ausgabe, erschienen im Dezember 1950, herausgegeben vom Verein Lintorfer Heimatfreunde zu Lintorf, Seite 13
Originaltext in Lintorfer Mundart, übertragen ins Hochdeutsche von Marc Real